„Wir müssen mit dem Klima zusammenarbeiten“

Durch den Klimawandel wird der Anbau einiger unserer Lieblingsnahrungsmittel wie Kaffee, Bananen und Schokolade immer schwieriger. Doch durch Fairtrade finden Bäuerinnen und Bauern Wege, um die Auswirkungen dieser Krise abzufedern, wie ein Beispiel aus Brasilien zeigt.

Liliane und Mauro da Silva sind ein Paar, das Kaffee anbaut, Töchter großzieht und sich um die Zukunft kümmert. Als Ehemann und Ehefrau bewirtschaften sie Land in der brasilianischen Region Sul de Minas. Das hat schon Lilianes Vater getan, und sie möchte, dass ihre eigenen Töchter im Teenageralter die stolze Familientradition der Erzeugung von Spitzenkaffee fortsetzen können. „Unser Ziel ist es, dass unsere Kinder weggehen und studieren, aber in das Land zurückkehren, in dem sie geboren wurden, und den Anbau weiterführen“, sagt Liliane.

Herausforderungen gemeinsam angehen

Der Beruf des Landwirts wird jedoch immer unsicherer. Die Kosten für die Landwirtschaft steigen, die Kaffeepreise schwanken zunehmend und die Auswirkungen der Klimakrise verschärfen sich. Andere Kaffeebäuerinnen und -bauern in anderen Teilen Brasiliens haben in letzter Zeit unter ungewöhnlich starkem Frost gelitten, und Liliane und Mauro haben festgestellt, dass das Wetter immer unberechenbarer wird.

„Wir leben und besitzen Grundstücke in einem für den Kaffeeanbau sehr günstigen Gebiet, aber trotzdem leiden wir sehr unter den Rückschlägen des Klimas“, sagt Liliane. Sie und ihre Kollegen in der Fairtrade-Kooperative probieren verschiedene Methoden aus, um ihre Ernten zu schützen. Neben der finanziellen Unterstützung durch Fairtrade erhalten sie auch Fachwissen und Informationen darüber, was sich für Kaffeebauern in anderen Ländern bewährt hat. Außerdem haben sie eine langfristige Handelsbeziehung mit einem britischen Kaffeeabnehmer, die sie sehr schätzen. Wie Liliane es ausdrückt: „Wir sind nicht für das Klima verantwortlich, aber wir können mit dem Klima zusammenarbeiten“.

Eine Kämpferin für die Frauen – und für die Jugend

In der Vergangenheit fiel es Liliane schwer, den Wert zu erkennen, den sie sowohl für die Farm als auch in die Partnerschaft einbringen kann. Durch den Fairen Handel fühlte sie sich ermutigt, die traditionelle Rolle von Männern und Frauen in der Landwirtschaft in Frage zu stellen. Liliane wurde Schatzmeisterin im Vorstand der Kooperative. Sie sagt: „Das war für mich eine Ermutigung. Ich denke, dass mein Aufenthalt dort anderen Frauen gezeigt hat, dass auch sie fähig sind.“ Liliane gilt als Vorbild für die Frauen in ihrer Gemeinde: „Die Freundinnen meiner Töchter nennen mich Chefin“, erzählt sie nicht ohne Stolz.

Mauro glaubt, dass die Zukunft der Landwirtschaft darin liegt, die Herausforderungen im Team zu meistern. „Die Kaffeeproduktion ist für mich das, was ich kann und was mir Spaß macht. Es hat immer Rückschläge gegeben. Aber gemeinsam werden wir lernen, diese Schwierigkeiten zu überwinden.“

„Frauen sind vom Klimawandel besonders betroffen“

Ein Interview mit Claudia Brück, Vorständin Fairtrade Deutschland. 

Welche Rolle spielt der faire Handel in Sachen Klimaanpassung? Und wie unterstützt er speziell Frauen im globalen Süden? Antworten gibt Claudia Brück, Vorständin und Frau an der Spitze der gemeinnützigen Organisation Fairtrade. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie daran, den Handel fairer zu gestalten. 

Widersprechen sich Klimagerechtigkeit und faire Handel nicht? Immerhin kommen Produkte wie Rosen, Blumen oder Kakao von weit her.

Die Klimabilanz eines Produktes hängt ja nicht allein am Transport. Auch die Anbausituation spielt eine Rolle. Also wieviel Dünger oder Energie braucht es für den Anbau? Sind die klimatischen Bedingungen günstig oder muss ein Treibhaus aufwendig beheizt werden? Fairtrade-Produkte haben hier in der Regel einen Vorteil. Schnittrosen sind dafür ein gutes Beispiel: Trotz des langen Fluges haben Fairtrade-Rosen aus Ostafrika eine bessere Co2-Bilanz als Gewächshausrosen aus den Niederlanden – einfach weil die Wetterbedingungen Afrikas ideal sind. Zusätzlich profitieren Produzent*innen von langfristigen Handelsbeziehungen und der Fairtrade-Prämie, einem finanziellen Aufschlag für Gemeinschaftsprojekte. Für viele Produkte gibt es zudem Mindestpreise. All das macht es möglich, dass sie auf den Klimawandel reagieren und in entsprechende Maßnahmen investieren können.

Es ist bekannt, dass Frauen im globalen Süden stärker vom Klimawandel betroffen sind als Männer. Wie kommt das?

In einigen Regionen führt der Klimawandel beispielsweise zu Wassermangel und damit zu einer Verschlechterung der Ackerböden, was sich wiederum auf die Erträge auswirkt. Die Folge ist ein geringeres Einkommen für die Familie und im schlimmsten Fall Hunger und Armut. Frauen sind davon besonders betroffen: Oft werden sie rechtlich benachteiligt, haben keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu finanziellen Mitteln. Das macht den Wechsel auf einen alternativen Berufszweig schwer. Dadurch sind sie besonders vulnerabel.

Wie unterstützt der faire Handel Frauen beim Thema Klimagerechtigkeit?

Die Förderung von Frauen ist fest in den Fairtrade-Standards, also den Spielregeln des fairen Handels, verankert. Es gibt beispielsweise „Gender Committees“, die sich explizit um die Stärkung von Frauen kümmern. Zusätzlich gibt es verschiedene Projekte und Programme, die Frauen beim Thema Klimagerechtigkeit unterstützen: Etwa die Klimaakademie oder die „Women‘s School of Leadership“. In der „Women’s School of Leadership“ lernen die Frauen unter anderem ressourcenschonendere Anbaumethoden kennen. Ziel ist es, dass sie zum einen auf Klimaveränderungen reagieren können und zum anderen wirtschaftlich unabhängiger werden.

Junge Fürsprecher*innen für nachhaltigen Wandel

Kleinbäuerinnen und -bauern weltweit sind besonders anfällig für die Auswirkungen des
Klimawandels: Die gewaltige Aufgabe, sich an den Klimawandel anzupassen, können sie meist nicht ohne Ressourcen und Unterstützung von anderen öffentlichen und privaten Akteuren bewältigen. 

Darum hat das Fairtrade Produzentennetzwerk Lateinamerika und Karibik – kurz CLAC – das Projekt EXCHANGE (2019 – 2021) ins Leben gerufen. Das Projekt sollte dazu beitragen, kleinbäuerliche Gemeinschaften zu Schlüsselakteuren im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen zu machen.

Im Rahmen des Projekts fanden unter anderem „Climate Leadership Academies“ in Ecuador, Bolivien, Guatemala und Nicaragua statt, an denen 112 junge engagierte Menschen aus 41 Fairtrade-zertifizierten Organisationen nahmen teilnahmen. Ziel war es, die Nachwuchsbäuerinnen und -bauern untereinander zu vernetzen, sie als Klimaexpert*innen und Interessenvertretung für ihre Genossenschaften auszubilden und sie stärker in die nationale Koordination der Fairtrade-Kooperativen einzubinden.

Irene Huarachi Arcayne, Produzentin der Nationalen Vereinigung der Quinoa-Produzenten (ANAPQUI) und Vertreterin der Jugend im Quinoa-Netzwerk in Bolivien, erklärte: „Ich wurde als Führungskraft im Umgang mit dem Klimawandel geschult, das war ein sehr wichtiges Thema für uns. Wir haben gelernt, wie wichtig Führung in unseren Netzwerken und Organisationen ist, und wir haben uns als junge Menschen verpflichtet, neue Herausforderungen anzunehmen und uns um die Umwelt zu kümmern“.

Auch praktisch umsetzbares Wissen zum Klimaschutz konnten die Nachwuchsbäuer*innen nach den Weiterbildungen in ihre Kooperativen tragen, wie Nestor Belisario Quispe vom Bauernverband Montana Verde Bolivien berichtete: „Ich habe gelernt, dass es besser ist, Nutzhölzer zu erhalten, die ein wesentlicher Bestandteil unserer Natur sind und CO₂ umwandeln. Die Bäume fangen es auf und verwandeln es in etwas Nützliches für die Erde.“

Neben den Climate Leadership Academies konnte das EXCHANGE-Projekt weitere Erfolge verzeichnen, die den Kooperativen zukünftig helfen, dem Klimawandel aus eigener Kraft zu begegnen. So wurden etwa 23 Aktionen von den teilnehmenden Fairtrade-Ländernetzwerken durchgeführt, um die Anfälligkeit der Kleinbauernfamilien für den Klimawandel zu verringern, acht Arbeitsgemeinschaften zwischen den Ländernetzwerken geschlossen, um Klimaanpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen gemeinsam zu fördern und durchzuführen und rund 4.000 Kleinbäuerinnen und -bauern erhielten technische Beratung, um ihre Produktion zukunftsfähig zu machen.