10 Jahre Fairtrade-Gold: 10 Jahre Fairänderung

10 Jahre Fairtrade-Gold: 10 Jahre Fairänderung

Gold ist ein Symbol für Liebe und für Beständigkeit. Es funkelt in Eheringen, Taufgeschenken und Erbstücken. Doch was viele nicht sehen: Hinter diesem Glanz verbirgt sich eine Realität, die alles andere als golden ist.

Ein Schatz aus der Tiefe

Gold fasziniert die Menschheit seit Jahrtausenden – und genauso lange wird es recycelt und wiederverwendet. Dennoch kann der weltweite Goldbedarf nicht allein über Recycling gedeckt werden. Immer noch wird in Ländern des globalen Südens Gold abgebaut. Rund 100 Millionen Menschen sind auf den kleingewerblichen Bergbau angewiesen, um ihre Familien und Gemeinden zu unterstützen. Neun von zehn Goldschürfer*innen arbeiten mit einem geringen Technisierungsgrad in kleinen Minen. Sie verdienen mit dem geschürften Gold meist zu wenig, um ihre Familien zu ernähren. Hinzu kommt, dass sie unzureichend geschützt in unsicherem Gelände und mit gesundheitsschädigenden Chemikalien arbeiten. Auch in den vom Bergbau lebenden Gemeinden fehlt es oft an sanitären Einrichtungen, Zugang zu Trinkwasser, Gesundheitsversorgung oder Schulbildung.

Safety first: Der Fairtrade-Standard für Gold schreibt Schutzbekleidung für die Minenarbeiter*innen vor. Foto: Fairtrade Max Havelaar

Minenarbeiter*innen sollen ihre wirtschaftliche und soziale Situation aus eigener Kraft verbessern können. Dafür setzt sich Fairtrade Deutschland seit nun einer Dekade gemeinsam mit seinen Lizenzpartnern ein. Dafür, dass sie durch den Fairtrade-Mindestpreis und -Prämie leben können, nicht nur überleben. Dass nachhaltigere Praktiken gefördert werden – zum Schutz der Umwelt, der Menschen und unserer Zukunft.

Fairtrade-Gold – ein echter Fortschritt

Durch klare Standards und transparente Handelswege erhalten Bergarbeiter*innen mit Fairtrade eine gerechtere Entlohnung – und damit bessere Perspektiven für ihr Leben und das ihrer Gemeinschaft. Fairtrade-Minenorganisatoren werden regelmäßig von unabhängigen Zertifizierer Flocert überprüft. So wird sichergestellt, dass die Standards eingehalten werden. Produkte mit dem Fairtrade-Gold Siegel sind 100 Prozent physisch rückverfolgbar, so gibt es Kund*innen in Deutschland seit zehn Jahren die Gewissheit, zu einer positiven Entwicklung beizutragen.

Dany Anthony Condori Condori arbeitet bei der peruanischen Gold-Minenorganisation Minera Metalúrgica San Francisco de Ananea.

„Wir sind stolz, Teil von Fairtrade zu sein“, berichtet Dany Anthony Condori Condori, der bei der peruanischen Gold-Minenorganisation Minera Metalúrgica San Francisco de Ananea, arbeitet. „Dank der Zertifizierung verkaufen wir unser Gold an verlässliche Partner – das gibt uns eine Perspektive für die Zukunft.“

Ein Zeichen von Liebe und Fairantwortung: Eheringe aus Fairtrade-Gold sehen gut aus – und stehen für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für Minenarbeiter*innen. Foto: Fairtrade

Verantwortung übernehmen, Haltung zeigen

Es braucht mehr als faire Bedingungen vor Ort. Es braucht Unternehmen, die Verantwortung übernehmen. Die begreifen, dass jedes Schmuckstück eine Geschichte erzählt – und dass diese Geschichte auch von Herkunft, von Haltung und von Hoffnung handelt. Immer mehr Schmuckhersteller und Goldverarbeiter setzen deshalb auf Fairtrade-Gold. Für eine bessere Zukunft. Für eine Branche, die endlich Haltung zeigt.

Wo bekomme ich Fairtrade-Gold Schmuck?

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Wie kann ich Fairtrade-Gold anbieten?

Mehr Informationen zu den Fairtrade-Gold Lizenzmodellen

Wo kann ich mehr über Fairtrade Gold erfahren?

https://www.fairtrade.net/de-de/produkte/fairtrade_produkte/gold.html

Forum für verantwortungsvolles Gold

Sektorprogramm Rohstoffe und Entwicklung

Vom Feld in den Fanshop: Auf den Spuren des Fairtrade-Textilstandards

Vom Feld in den Fanshop: Auf den Spuren des Fairtrade-Textilstandards

Wir waren in Indien, um uns dort auf eine Reise entlang der textilen Wertschöpfungskette zu begeben.

Die Nähmaschinen laufen, von den Ventilatoren kommt eine angenehme kühle Brise, draußen hat es schwüle 30 Grad. Wir sind im südlichen Indien unterwegs, im Bundesstaat Tamil Nadu, wo Fairtrade Deutschland zusammen mit unseren Partnern im Projekt „Vom Feld in den Fanshop“ die textile Lieferkette besucht. Mit dabei: Brands Fashion, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) – im Auftrag des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – und die Bundesligavereine FC Union Berlin, Eintracht Frankfurt, FC St. Pauli, Hamburger HSV, VfB Stuttgart, VFL Wolfsburg, Werder Bremen.

Was bisher geschah

In den vergangenen 3 Jahren des Projekts „Vom Feld in den Fanshop“ konnte viel erreicht werden: 450 Baumwollbäuerinnen und -bauern bei der Kooperative RDFC in Gujarat wurden bei der Umstellung auf biologischen Baumwollanbau unterstützt. Sie erhielten gentechnikfreies Saatgut sowie Trainings zu Anbaumethoden, Bodengesundheit und biologischer Schädlingsbekämpfung. Die Baumwolle, die hier produziert wird, wird im knapp 2000 km entfernten Tiruppur zu Garn und später zu Stoffen weiterverarbeitet, die dann unter fairen und ökologischen Bedingungen gefärbt, bedruckt und schließlich zu Shirts, Hoodies, Schals und anderen Fanartikeln für die Bundesligisten verarbeitet werden. Diese Merchandise-Artikel unterliegen entlang der gesamten Lieferkette strengen Auflagen und externen Kontrollen und tragen das Fairtrade-Siegel für Baumwolle, beziehungsweise den Textilstandard, was dafür sorgt, dass alle Kriterien eingehalten werden.

Schritt für Schritt fair

Hier in Indien sehen wir direkt vor Ort, welchen Unterschied all das für die Menschen und für die Umwelt macht. Wir sehen Näher*innen, die schützende Handschuhe für gefährliche Arbeiten an Maschinen tragen, die eigene Räumlichkeiten für regelmäßige Arbeitspausen zur Verfügung haben, sogar eine Krankenstation, falls jemand sich unwohl fühlt oder medizinische Versorgung benötigt. Die Notausgänge in den Fabriken sind gut sichtbar gekennzeichnet und leicht erreichbar. Bei extra eingerichteten Beschwerdekommittees können sich Arbeiter*innen bei Problemen an geschultes Personal wenden, um Unterstützung zu bekommen. Und: Die Fabriken verpflichten sich dazu, den Mitarbeitenden Schritt für Schritt existenzsichernde Löhne zu bezahlen. All das ist nicht selbstverständlich in Indiens Textilindustrie.

Stark durch Sport

Im Projekt „Vom Feld in den Fanshop“ geht es natürlich auch um Fußball: Kinder erhalten die Gelegenheit, regelmäßig Sport zu machen und lernen in Fußballtrainings ganz nebenbei Teamgeist, Selbstbewusstsein und Konfliktlösungskompetenzen zu stärken. Vor allem Mädchen, die in der indischen Gesellschaft nach wie vor mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sind, profitieren von diesen Sporteinheiten.

CO2-neutrales Leuchtturmprojekt

Dazu durften wir bei der Eröffnung der neuen und ersten Net Zero Green Factory Indiens teilnehmen, einer Fairtrade- zertifizierten Näherei von SAGS Apparels. Es ist eindrucksvoll zu sehen, wie die Fabrik auf dem Weg zu einer CO2- neutralen Produktion ist. Verschiedene Maßnahmen zur CO2 Reduktion werden dank Unterstützung und Finanzierung durch die Europäische Union – Switch Asia – umgesetzt.

Sechs Tage Indien bereisen,  die Produktionsorte zu begehen und zu sehen, wo die T-Shirts und Fan-Schals hergestellt werden, die wir in Deutschland tragen, ist beeindruckend. Erst vor Ort wird deutlich, durch wie viele Hände sie gegangen sind, wie viel Arbeit in ihnen steckt.

Wo Kakao, Bananen und Zukunftschancen wachsen

Wo Kakao, Bananen und Zukunftschancen wachsen

Unterwegs mit Mitgliedsorganisationen zu Produzent*innen und Kooperativen in der Dominikanischen Republik

Wir sind zu Gast bei Kooperativen in der Dominikanischen Republik und erhalten für wenige Tage Einblick in die Lebenswirklichkeit und die Arbeitswelten kleinbäuerlicher Produzent*innen im Kakao- und Bananenanabau. Abseits touristischer Routen eröffnet sich die Möglichkeit, jene Strukturen kennenzulernen, in denen der faire Handel nicht nur wirtschaftliche Existenzen sichert, sondern zugleich als Hebel für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit wirkt.

Fairtrade Deutschland hat den Aufsichtsrat und Vertreter*innen seiner Mitgliedsorganisationen eingeladen, den Ursprung der Produkte vor Ort nachzuvollziehen – von der Feldarbeit über erste Verarbeitungs- und Wertschöpfungsschritte bis zum lokalen Vertrieb. In der Dominikanischen Republik sind rund 23.000 Landwirt*innen und Arbeiter*innen in 75 Fairtrade-zertifizierten Organisationen aktiv. Wichtigste Ansprechpartnerin ist das nationale Netzwerk COORDOM des Fairtrade Produzent*innennetzwerk CLAC (Coordinadora Latinoamericana y del Caribe de Pequeños Productores y Trabajadores de Comercio Justo), welche die Besuche in vier Kooperativen unterstützte.

In der Reisegruppe kommen Aktive aus der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit, Jugend- und Sozialverbände, einer genossenschaftlichen Mikrofinanzinstitution und einer Frauenrechtsorganisation zusammen – eine perspektivische Vielfalt, die sich in den Gesprächen vor Ort widerspiegelte und zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit den Wirkungen und Herausforderungen des Fairen Handels beitrug.

Planetare Krisen im Alltag kleinbäuerlicher Produktion

Zu den drängendsten Herausforderungen für die kleinbäuerliche Landwirtschaft zählen die spürbaren Folgewirkungen der Klimakrise, fortschreitende Umweltzerstörung und der Verlust biologischer Vielfalt. Nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken sind dabei nicht nur Voraussetzung für die ökologische Resilienz, sondern zentral, um die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Betriebe zu sichern.

Ein eindrucksvolles Beispiel für nachhaltigen Kakaoanbau ist die Fundación Dominicana de Productores Orgánicos (FUNDOPO), einer Ausgründung von YACAO, die in den Regionen Medina, Yamasá, El Seibo und Puerto Plata aktiv ist. Die Kooperative setzt auf vorbildliche Agroforstsysteme, die aktiv zur Förderung von Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit beitragen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die hauseigenen Baumschulen, die den Mitglieder der Kooperative Mischpakete aus veredelten Kakaosetzlingen und anderen standortgerechten Pflanzenarten zur Verfügung stellen. Diese Diversifizierung verbessert nicht nur die Bodenstruktur, sondern stärkt auch die Resilienz gegenüber klimatischen Stressfaktoren. Die Parzellen der Baumschule zeigen anschaulich, wie Agroforstwirtschaft insbesondere in den hochgelegenen, schwer zugänglichen Lagen der Cordillera Central nachhaltige Anbaulösungen bietet; selbst dort, wo eine kontinuierliche Pflege nur eingeschränkt möglich ist. Mit sichtbarem Stolz berichtet die FUNDOPO Agrarökologin Nicole Estévez: „Unsere Jungbäume sind so gestärkt, dass sie ganz alleine bestehen – und den Wald erneuern.“

(c) Fairpicture / Tatiana Fernandez Geara

Gleichzeitig setzen die besuchten Kooperativen zunehmend auf technologische Lösungen: Der Einsatz von Drohnen unterstützt die Geolokalisierung der Parzellen, das Monitoring des Pflanzenwachstums sowie die punktgenaue Ausbringung organischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Maßnahmen des Umweltschutzes gehen hier Hand in Hand mit der Ertragsoptimierung. Zudem sichern sie die Einhaltung internationaler Vorgaben und Standards, etwa im Hinblick auf die neue EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR). Für die Kooperativen vor Ort bedeutet EU-Regulatorik wie diese, dass der kleinteilig rückverfolgbare Anbau nicht nur eine nachhaltige Notwendigkeit darstellt, sondern auch zur marktwirtschaftlichen Voraussetzung für den Zugang zum europäischen Markt wird. Dank ihrer langfristigen Orientierung an verantwortungsvoller Praktiken und Transparenz sind die Fairtrade-zertifizierten Organisationen vergleichsweise gut vorbereitet – ein entscheidender Vorteil in einem zunehmend regulierten globalen Handelsumfeld. Kritisch bleibt, wie zusätzlich Kosten für die Umsetzung vor Ort gerecht und eben nicht zu Lasten der Kooperativen verteilt werden.

Auch im Bananensektor stehen Biodiversität und Bodenschutz im Zentrum: Bei BANELINO (Bananos Ecológicos de la Línea Noroeste), einem Zusammenschluss von rund 170 kleinbäuerlichen Bananenproduzent*innen, ist nachhaltige Landwirtschaft weit mehr als ein Label. Die Kooperative verfolgt vollständig bio-faire und bio-dynamisch-faire Anbaupraktiken und setzt auf eigene Düngemittel aus fermentiertem organischen Kompost, tierischen Mikroorganismen und Grünmaterial. „Zum Wohle unseres wichtigsten Produktes – alles für die Banane“, betont Marike Runneboom de Peña, Geschäftsführerin von BANELINO und zudem Mitglied im Fairtrade International Board. Denn Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt tragen auf den Bananenfeldern sprichwörtlich Früchte, sie sichern Ernten, Einkommen und Lebensgrundlagen. Ein weiterer Schlüssel zur wirtschaftlichen Absicherung der Mitglieder sind Projekte zur Diversifizierung und ergänzende Einkommensquellen wie Kokosanbau, Honigproduktion oder Hühnerzucht.

Faire Preise, stabile Zukunft – Wege zu umfassender Resilienz

In den Begegnungen vor Ort wird deutlich, wie aktuell und wirkmächtig der Gründungsimpuls der Fairhandelsbewegung geblieben ist: Ziel der Zusammenarbeit muss weiter sein, die Lebensbedingungen von Kleinbäuer*innen, ihren Familien und ihren lokalen Gemeinschaften nachhaltig zu verbessern, durch existenzsichernde Einkommen Armut zu bekämpfen und Verwirklichungschancen zu sichern – eine würdige Arbeit (trabajo digno), ein würdiger Lohn (sueldo digno), ein würdiges Zuhause (hogar digno) für alle Mitglieder der Kooperative. Und Zukunftsperspektiven in der Landwirtschaft zu bieten, entgegen allen Herausforderungen und angesichts massiver Rückgänge in Produktivität und Rentabilität.

Tuendy Vargas, Bananenproduzent und Mitglied bei BANELINO, bringt es auf den Punkt: „Ohne Fairtrade wären wir nicht mehr hier. Ohne Fairtrade gibt es keine Zukunft für Bananen aus kleinbäuerlichen Produktion.“ Am Beginn globaler Lieferketten stemmen sich die Kooperativen mit aller Kraft gegen den Preisdruck, die Marktmacht von internationaler Kunden, die Abwanderung junger, qualifizierter Menschen und die Aufgabe von (Familien-)Betrieben aus Mangel an wirtschaftlichen Perspektiven. In kleinerem Maßstab gelingt es lokale Märkte zu erschließen. Den weit größeren Unterschied macht jedoch, ob gelingt, die gesamte Ernte zu Fairtrade-Konditionen abzusetzen.

Für die Mitglieder von COOPROAGRO (Cooperativa de Productores Agropecuarios), die häufig nur wenige Hektar bewirtschaften, ist die Unterstützung bei der Umstellung auf bio- und fair-zertifizierten Kakao ebenso entscheidend, wie Schulungen zu nachhaltigen Anbaupraktiken oder die gemeinschaftliche Weiterverarbeitung in den zentral organisierten Fermentierungs- und Trocknungsanlagen. Erst durch diese infrastrukturelle Rückendeckung kann ihr Produkt auf den Weltmarkt gelangen. Während sich in den Lagerhallen auch in der Nebensaison beeindruckende Mengen von Kakaosäcken stapeln und auf den Export warten, ist es auf den Feldern von Kakaobäuerin Marisol Villar Batista noch weitestgehend ruhig. Mit gezieltem Blick führt sie durch den dichten Wald der Kakao-Bäume, vorbei an Obst- und Laubbäumen durchs Unterholz. Für das ungeübte Auge bleibt unklar, woher sie wissen kann, dass gerade dieser oder jener Baum schon erntereife Schoten trägt. „Ich kenne diese Bäume mein ganzes Leben“, erzählt sie. „Früher hat mein Vater diese Finca bewirtschaftet, dann habe ich sie vor rund zwölf Jahren übernommen. Jetzt setzen wir alles daran, dass mit meinem Neffen ein Familienmitglied den Betrieb weiterführt.“

Mit Blick auf die eigene Familiengeschichte berichtet sie von einem weiteren zentralen Aspekt des Fairtrade-Anbaus, der nicht nur die Lebensgrundlagen künftiger Generationen schützt, sondern auch auf den Schutz der Gesundheit der Arbeiter*innen setzt. Aus Überzeugung setzt sie auf biologischen Anbau und Alternativen zu synthetischen Pestiziden und Insektiziden. Als Mitglied im Verwaltungsrat der Kooperative gestaltet sie die Rahmenbedingungen dafür in ihrem Distrikt aktiv mit und gibt mit ihrem Musterbetrieb ein Vorbild. Bis 2030 soll der gesamte Anbau der Kooperative auf Dynamischen Agroforst umgestellt sein und ein vielfältiges und widerstandfähiges Ökosystem schaffen.

Die wirtschaftliche Resilienz dieser kleinbäuerlichen Strukturen erweist sich dabei als entscheidender Stabilitätsfaktor – insbesondere in krisenhaften Zeiten. Der derzeit historisch hohe Weltmarktpreis für Rohkakao etwa bedeutet keineswegs automatisch verbesserte Lebensbedingungen für die Produzent*innen in der Dominikanischen Republik. Im Gegenteil: Eine volatile Preisentwicklung birgt Risiken und Unwägbarkeiten. Kooperativen müssen höhere Abnahmepreise vorfinanzieren, stehen im Wettbewerb mit Zwischenhändlern und benötigen Überbrückungsdarlehen, um Liquiditätsengpässe abzufedern. Bei CONACADO Agroindustrial (Coordinadora Nacional de Cacaoteros Dominicanos), kommt im Gespräch mit Vorstand und Geschäftsführung zur Sprache, wie essenziell die wirtschaftlichen Sicherungsmechanismen des fairen Handels in dieser Situation sind – allen voran der Fairtrade-Mindestpreis und die Fairtrade-Prämien, die in langfristige Programme und Projekte reinvestiert werden. CONACADO Agroindustrial ist einer der größten Kakaoerzeugerorganisationen des Landes und verarbeitet in ihren Fabrikanlagen den Rohkakao zu gewerblichen Vorprodukten wie Kakaobutter, -nibs und -pulver weiter. Mittelfristig sollen auch Tafelschokoladen produziert werden. Charmant, aber deutlich folgt der Appell an die Gäste aus Deutschland: Es braucht neue Absatzmärkte, zusätzliche Handelspartner – und eine wachsende Nachfrage nach Fairtrade-zertifiziertem Kakao, denn ein erheblicher Teil der Produktion kann bislang schlicht nicht zu Fairtrade-Konditionen abgesetzt werden.

Über Anbau und Produktion hinaus trägt die Fairtrade-Prämie zu einer nachhaltigen Verbesserung der sozialen Infrastrukturen im ländlichen Raum bei. Die besuchten Kooperativen investieren diese Mittel in den Bau von Wirtschaftswegen, Aquädukten, Brunnen und Frischwasserstationen, in den Unterhalt von Schulen, Gesundheitsangeboten und Fortbildungsprogrammen – für Mitglieder, ihre Familien, assoziierte Arbeitskräfte und die lokale Bevölkerung. So wird kollektive Resilienz zur Gemeinschaftsaufgabe und zur konkreten Realität in den Gemeinden.

Zukunft braucht Teilhabe: Jugend & Gender

Welche Folgen es hat, wenn es nicht gelingt, in der Landwirtschaft tragfähige Zukunftsaussichten zu eröffnen, spricht Angela Belliard, Mitglied des Vorstandes und Sprecherin des Frauenkomitees bei BANELINO, aus: „Als erstes gehen die jungen Leute und die Frauen. Eine Zukunft gibt es nur, wenn beide hierbleiben.“ Nachhaltige Entwicklung in den Kooperativen ist untrennbar mit Fragen der Gerechtigkeit und vollen Teilhabe für junge Menschen und Frauen* verbunden, die häufig keine Zukunft für sich in der Landwirtschaft sehen.

Ein erster Schritt ist die Anerkennung, dass strukturelle Ungerechtigkeit und Machthierarchien beide Gruppen ungleich stärker betreffen. Die Kooperative setzt auf Sensibilisierungs- und Antidiskriminierungsarbeit – Frauen* werden in Empowerment-Programmen gestärkt, Männer durch Schulungen zu positiver Maskulinität in Transformationsprozesse eingebunden. Institutionell verankert sind Gruppen als Begegnungsräume und Komitees als politische Gremien. Beide öffnen „Safer Spaces“ und die Möglichkeit, bewährte Praktiken und unternehmerische Ideen auszutauschen. Angela Belliard teilt mit mir ihre persönliche Erfahrungen und es wird deutlich, wie wichtig für einen respektvollen, gleichgestellten Umgang Mechanismen sind, die Frauen* als (land-)wirtschaftliche Akteurinnen* und Entscheidungsträgerinnnen* sichtbar machen. Absolventinnen* der „Fairtrade Women’s School of Leadership“, ein Programm, das Verhandlungskompetenzen und betriebswirtschaftliche Kenntnisse vermittelt, übernehmen zunehmend Verantwortung in der Führungs- und Gremienarbeit. An Jugendliche und junge Erwachsene richten sich altersspezifische Aus- und Weiterbildungsprogramme, die Möglichkeit eine Ausbildungs- und Studienförderung zu erhalten und Zugang zu digitalen Innovationen und Technologien. Die Möglichkeit, früh in Betrieb und Kooperative Verantwortung zu übernehmen, sei ein wichtiger Hebel für die Landwirtschaft zu motivieren. Und Domingo López Quezada, zweiter Geschäftsführer von BANELINO, ergänzt ein Argument, dass auch hartnäckige Kritiker*innen dieser Initiativen verstummen lässt: „Frauen* bringen dann oft auch noch bessere wirtschaftliche Ergebnisse“.

Überregionale Strategien – wie jene des Produzent*innennetzwerks CLAC – geben den Rahmen für eine inklusive Zukunft, die Geschlechter- und Generationengerechtigkeit in lokale Praxis und Organisationskulturen übersetzt.

„Somos todes familia.“

Viele der Herausforderungen für kleinbäuerliche Produzent*innen und ihre Kooperativen, die zwischen den Bananenfeldern im Nordosten des Landes an der Grenze zu Haiti und der Kakaoverarbeitung nahe der Hauptstadt Santo Domingo erfahrbar werden, sind aus Berichten und Feldforschung hinlänglich bekannt. Vor Ort Lösungsansätze und das Engagement in den Gemeinschaften zu erleben, ist dennoch umso eindrucksvoller und verleiht diesen neue Tiefe und Dringlichkeit. Kooperativen sind dabei weit mehr als wirtschaftliche Zusammenschlüsse. Sie sind Träger eines strukturellen Wandels, der auf Solidarität, gemeinschaftlicher Verantwortung und dem Schutz natürlicher Lebensgrundalgen beruht. Ihr Ziel reicht über rein betriebswirtschaftliche Effizienz hinaus. Sie streben nach einer Nutzenmaximierung im Dienste des Gemeinwohls sowie einer selbstbestimmten, würdevollen Lebensweise für ihre Mitglieder. Sie ermöglichen nicht nur die Stärkung individueller und kollektiver Handlungsmacht, sondern fördern auch eine Kultur der gegenseitigen Verantwortung und des Wissensaustauschs. Praktisch besonders deutlich wird dies im Zugang zu Trainingsangeboten, technischer Beratung, Finanzierung und Produktionsmitteln sowie der Vereinheitlichung von Produktionsprozessen. So entstehen resiliente Strukturen, die nicht nur ökonomische Stabilität schaffen, sondern auch soziale Kohärenz fördern.

Eine Formel, die uns authentisch immer wieder begegnet: „Somos todes familia“ – wir sind alle Familie. Aus diesem Satz spricht nicht nur ein Gefühl der Zugehörigkeit, sondern eine konkrete soziale Praxis. Eine großzügige Solidarität, die für die direkten Nachbar*innen in der Gegenwart, für nachkommende Generationen ebenso gilt, wie für illegalisierte Arbeitsmigrant*innen aus dem benachbarten Haiti.

In Regionen, in denen staatliche Strukturen oft schwach sind und öffentliche Leistungen kaum zugänglich, übernehmen Kooperativen Aufgaben, die weit über ihr wirtschaftliches Handlungsfeld hinaus gehen. Zentrales Motiv ist die Sicherung eines existenzsichernden Einkommens heute und morgen und die Schaffung bzw. der Erhalt von Produktionsmitteln, die dafür erforderlich sind. Darüber hinaus sind sie Träger sozialer Infrastrukturen und schaffen so selbst die grundlegende Voraussetzung für demokratische Teilhabe und Selbstorganisation. Kleinbäuerliche Kooperativen verkörpern damit ein alternatives Entwicklungsparadigma: eines, das nicht auf die Externalisierung von Verantwortung setzt, sondern auf Partizipation, Eigenständigkeit und sozialer Gerechtigkeit.

Wer in dieser Gemeinschaft wirkt, gestaltet aktiv an einer Welt mit, in der Produzent*innen nicht mehr am Rand, sondern im Mittelpunkt globaler Lieferketten stehen. Wer Bananen schätzt, wer Schokolade genießt, kann sich der Verantwortung für die Menschen hinter diesen Produkten nicht entziehen. Und alle, die diese Produkte produzieren oder konsumieren, übernehmen – idealerweise – Mitverantwortung für diese Vision.

Christina Arkenberg, Vorsitzende des Aufsichtsrates von Fairtrade Deutschland

Mein herzlicher Dank geht an die Mitreisenden Andrea Seitz (Serviceteam Geldanlage, oikocredit), Andreas Paul (Geistliche Leitung, Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands) Ansgar Pieroth (Referent für Entwicklungspolitik, Nachhaltigkeit und Internationale Gerechtigkeit, Bund der Deutschen Katholischen Jugend), Kenza Podieh (Referentin für Nachhaltige Beschaffung, FEMNET e.V.), Kristina Stier (Referentin für Rohstoffpolitik und Fairen Handel, Brot für die Welt) sowie Claudia Brück (Vorständin), Katja Carson (Vorständin) und Michaela Reithinger (Referentin Mitgliederkooperationen) von Fairtrade Deutschland.

Fairtrade bei Kakao und anderen Lebensmitteln

Wenn wir über Kakao sprechen, dann sprechen wir auch über die Nachhaltigkeit davon und anderer Lebensmitel. Kakao kommt von weit her und wir können am Supermarkt-Regal nur schwer nachvollziehen unter welchen Bedingungen das Produkt produziert wurde. Kommt das Geld auch dort an wo es soll und können die Familien und Bauern von dem Geld leben was sie erwirtschaften. Siegel sind hilfreich aber zeigen Sie uns auch alles? Vielleicht geben uns die folgenden Beiträge aus dem Netz Aufschluß, wie sich der Faire Handel entwickelt:

Fairtrade Inside Unser Mitarbeiterblog