Wo Kakao, Bananen und Zukunftschancen wachsen

Wo Kakao, Bananen und Zukunftschancen wachsen

Unterwegs mit Mitgliedsorganisationen zu Produzent*innen und Kooperativen in der Dominikanischen Republik

Wir sind zu Gast bei Kooperativen in der Dominikanischen Republik und erhalten für wenige Tage Einblick in die Lebenswirklichkeit und die Arbeitswelten kleinbäuerlicher Produzent*innen im Kakao- und Bananenanabau. Abseits touristischer Routen eröffnet sich die Möglichkeit, jene Strukturen kennenzulernen, in denen der faire Handel nicht nur wirtschaftliche Existenzen sichert, sondern zugleich als Hebel für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit wirkt.

Fairtrade Deutschland hat den Aufsichtsrat und Vertreter*innen seiner Mitgliedsorganisationen eingeladen, den Ursprung der Produkte vor Ort nachzuvollziehen – von der Feldarbeit über erste Verarbeitungs- und Wertschöpfungsschritte bis zum lokalen Vertrieb. In der Dominikanischen Republik sind rund 23.000 Landwirt*innen und Arbeiter*innen in 75 Fairtrade-zertifizierten Organisationen aktiv. Wichtigste Ansprechpartnerin ist das nationale Netzwerk COORDOM des Fairtrade Produzent*innennetzwerk CLAC (Coordinadora Latinoamericana y del Caribe de Pequeños Productores y Trabajadores de Comercio Justo), welche die Besuche in vier Kooperativen unterstützte.

In der Reisegruppe kommen Aktive aus der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit, Jugend- und Sozialverbände, einer genossenschaftlichen Mikrofinanzinstitution und einer Frauenrechtsorganisation zusammen – eine perspektivische Vielfalt, die sich in den Gesprächen vor Ort widerspiegelte und zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit den Wirkungen und Herausforderungen des Fairen Handels beitrug.

Planetare Krisen im Alltag kleinbäuerlicher Produktion

Zu den drängendsten Herausforderungen für die kleinbäuerliche Landwirtschaft zählen die spürbaren Folgewirkungen der Klimakrise, fortschreitende Umweltzerstörung und der Verlust biologischer Vielfalt. Nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken sind dabei nicht nur Voraussetzung für die ökologische Resilienz, sondern zentral, um die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Betriebe zu sichern.

Ein eindrucksvolles Beispiel für nachhaltigen Kakaoanbau ist die Fundación Dominicana de Productores Orgánicos (FUNDOPO), einer Ausgründung von YACAO, die in den Regionen Medina, Yamasá, El Seibo und Puerto Plata aktiv ist. Die Kooperative setzt auf vorbildliche Agroforstsysteme, die aktiv zur Förderung von Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit beitragen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die hauseigenen Baumschulen, die den Mitglieder der Kooperative Mischpakete aus veredelten Kakaosetzlingen und anderen standortgerechten Pflanzenarten zur Verfügung stellen. Diese Diversifizierung verbessert nicht nur die Bodenstruktur, sondern stärkt auch die Resilienz gegenüber klimatischen Stressfaktoren. Die Parzellen der Baumschule zeigen anschaulich, wie Agroforstwirtschaft insbesondere in den hochgelegenen, schwer zugänglichen Lagen der Cordillera Central nachhaltige Anbaulösungen bietet; selbst dort, wo eine kontinuierliche Pflege nur eingeschränkt möglich ist. Mit sichtbarem Stolz berichtet die FUNDOPO Agrarökologin Nicole Estévez: „Unsere Jungbäume sind so gestärkt, dass sie ganz alleine bestehen – und den Wald erneuern.“

(c) Fairpicture / Tatiana Fernandez Geara

Gleichzeitig setzen die besuchten Kooperativen zunehmend auf technologische Lösungen: Der Einsatz von Drohnen unterstützt die Geolokalisierung der Parzellen, das Monitoring des Pflanzenwachstums sowie die punktgenaue Ausbringung organischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Maßnahmen des Umweltschutzes gehen hier Hand in Hand mit der Ertragsoptimierung. Zudem sichern sie die Einhaltung internationaler Vorgaben und Standards, etwa im Hinblick auf die neue EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR). Für die Kooperativen vor Ort bedeutet EU-Regulatorik wie diese, dass der kleinteilig rückverfolgbare Anbau nicht nur eine nachhaltige Notwendigkeit darstellt, sondern auch zur marktwirtschaftlichen Voraussetzung für den Zugang zum europäischen Markt wird. Dank ihrer langfristigen Orientierung an verantwortungsvoller Praktiken und Transparenz sind die Fairtrade-zertifizierten Organisationen vergleichsweise gut vorbereitet – ein entscheidender Vorteil in einem zunehmend regulierten globalen Handelsumfeld. Kritisch bleibt, wie zusätzlich Kosten für die Umsetzung vor Ort gerecht und eben nicht zu Lasten der Kooperativen verteilt werden.

Auch im Bananensektor stehen Biodiversität und Bodenschutz im Zentrum: Bei BANELINO (Bananos Ecológicos de la Línea Noroeste), einem Zusammenschluss von rund 170 kleinbäuerlichen Bananenproduzent*innen, ist nachhaltige Landwirtschaft weit mehr als ein Label. Die Kooperative verfolgt vollständig bio-faire und bio-dynamisch-faire Anbaupraktiken und setzt auf eigene Düngemittel aus fermentiertem organischen Kompost, tierischen Mikroorganismen und Grünmaterial. „Zum Wohle unseres wichtigsten Produktes – alles für die Banane“, betont Marike Runneboom de Peña, Geschäftsführerin von BANELINO und zudem Mitglied im Fairtrade International Board. Denn Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt tragen auf den Bananenfeldern sprichwörtlich Früchte, sie sichern Ernten, Einkommen und Lebensgrundlagen. Ein weiterer Schlüssel zur wirtschaftlichen Absicherung der Mitglieder sind Projekte zur Diversifizierung und ergänzende Einkommensquellen wie Kokosanbau, Honigproduktion oder Hühnerzucht.

Faire Preise, stabile Zukunft – Wege zu umfassender Resilienz

In den Begegnungen vor Ort wird deutlich, wie aktuell und wirkmächtig der Gründungsimpuls der Fairhandelsbewegung geblieben ist: Ziel der Zusammenarbeit muss weiter sein, die Lebensbedingungen von Kleinbäuer*innen, ihren Familien und ihren lokalen Gemeinschaften nachhaltig zu verbessern, durch existenzsichernde Einkommen Armut zu bekämpfen und Verwirklichungschancen zu sichern – eine würdige Arbeit (trabajo digno), ein würdiger Lohn (sueldo digno), ein würdiges Zuhause (hogar digno) für alle Mitglieder der Kooperative. Und Zukunftsperspektiven in der Landwirtschaft zu bieten, entgegen allen Herausforderungen und angesichts massiver Rückgänge in Produktivität und Rentabilität.

Tuendy Vargas, Bananenproduzent und Mitglied bei BANELINO, bringt es auf den Punkt: „Ohne Fairtrade wären wir nicht mehr hier. Ohne Fairtrade gibt es keine Zukunft für Bananen aus kleinbäuerlichen Produktion.“ Am Beginn globaler Lieferketten stemmen sich die Kooperativen mit aller Kraft gegen den Preisdruck, die Marktmacht von internationaler Kunden, die Abwanderung junger, qualifizierter Menschen und die Aufgabe von (Familien-)Betrieben aus Mangel an wirtschaftlichen Perspektiven. In kleinerem Maßstab gelingt es lokale Märkte zu erschließen. Den weit größeren Unterschied macht jedoch, ob gelingt, die gesamte Ernte zu Fairtrade-Konditionen abzusetzen.

Für die Mitglieder von COOPROAGRO (Cooperativa de Productores Agropecuarios), die häufig nur wenige Hektar bewirtschaften, ist die Unterstützung bei der Umstellung auf bio- und fair-zertifizierten Kakao ebenso entscheidend, wie Schulungen zu nachhaltigen Anbaupraktiken oder die gemeinschaftliche Weiterverarbeitung in den zentral organisierten Fermentierungs- und Trocknungsanlagen. Erst durch diese infrastrukturelle Rückendeckung kann ihr Produkt auf den Weltmarkt gelangen. Während sich in den Lagerhallen auch in der Nebensaison beeindruckende Mengen von Kakaosäcken stapeln und auf den Export warten, ist es auf den Feldern von Kakaobäuerin Marisol Villar Batista noch weitestgehend ruhig. Mit gezieltem Blick führt sie durch den dichten Wald der Kakao-Bäume, vorbei an Obst- und Laubbäumen durchs Unterholz. Für das ungeübte Auge bleibt unklar, woher sie wissen kann, dass gerade dieser oder jener Baum schon erntereife Schoten trägt. „Ich kenne diese Bäume mein ganzes Leben“, erzählt sie. „Früher hat mein Vater diese Finca bewirtschaftet, dann habe ich sie vor rund zwölf Jahren übernommen. Jetzt setzen wir alles daran, dass mit meinem Neffen ein Familienmitglied den Betrieb weiterführt.“

Mit Blick auf die eigene Familiengeschichte berichtet sie von einem weiteren zentralen Aspekt des Fairtrade-Anbaus, der nicht nur die Lebensgrundlagen künftiger Generationen schützt, sondern auch auf den Schutz der Gesundheit der Arbeiter*innen setzt. Aus Überzeugung setzt sie auf biologischen Anbau und Alternativen zu synthetischen Pestiziden und Insektiziden. Als Mitglied im Verwaltungsrat der Kooperative gestaltet sie die Rahmenbedingungen dafür in ihrem Distrikt aktiv mit und gibt mit ihrem Musterbetrieb ein Vorbild. Bis 2030 soll der gesamte Anbau der Kooperative auf Dynamischen Agroforst umgestellt sein und ein vielfältiges und widerstandfähiges Ökosystem schaffen.

Die wirtschaftliche Resilienz dieser kleinbäuerlichen Strukturen erweist sich dabei als entscheidender Stabilitätsfaktor – insbesondere in krisenhaften Zeiten. Der derzeit historisch hohe Weltmarktpreis für Rohkakao etwa bedeutet keineswegs automatisch verbesserte Lebensbedingungen für die Produzent*innen in der Dominikanischen Republik. Im Gegenteil: Eine volatile Preisentwicklung birgt Risiken und Unwägbarkeiten. Kooperativen müssen höhere Abnahmepreise vorfinanzieren, stehen im Wettbewerb mit Zwischenhändlern und benötigen Überbrückungsdarlehen, um Liquiditätsengpässe abzufedern. Bei CONACADO Agroindustrial (Coordinadora Nacional de Cacaoteros Dominicanos), kommt im Gespräch mit Vorstand und Geschäftsführung zur Sprache, wie essenziell die wirtschaftlichen Sicherungsmechanismen des fairen Handels in dieser Situation sind – allen voran der Fairtrade-Mindestpreis und die Fairtrade-Prämien, die in langfristige Programme und Projekte reinvestiert werden. CONACADO Agroindustrial ist einer der größten Kakaoerzeugerorganisationen des Landes und verarbeitet in ihren Fabrikanlagen den Rohkakao zu gewerblichen Vorprodukten wie Kakaobutter, -nibs und -pulver weiter. Mittelfristig sollen auch Tafelschokoladen produziert werden. Charmant, aber deutlich folgt der Appell an die Gäste aus Deutschland: Es braucht neue Absatzmärkte, zusätzliche Handelspartner – und eine wachsende Nachfrage nach Fairtrade-zertifiziertem Kakao, denn ein erheblicher Teil der Produktion kann bislang schlicht nicht zu Fairtrade-Konditionen abgesetzt werden.

Über Anbau und Produktion hinaus trägt die Fairtrade-Prämie zu einer nachhaltigen Verbesserung der sozialen Infrastrukturen im ländlichen Raum bei. Die besuchten Kooperativen investieren diese Mittel in den Bau von Wirtschaftswegen, Aquädukten, Brunnen und Frischwasserstationen, in den Unterhalt von Schulen, Gesundheitsangeboten und Fortbildungsprogrammen – für Mitglieder, ihre Familien, assoziierte Arbeitskräfte und die lokale Bevölkerung. So wird kollektive Resilienz zur Gemeinschaftsaufgabe und zur konkreten Realität in den Gemeinden.

Zukunft braucht Teilhabe: Jugend & Gender

Welche Folgen es hat, wenn es nicht gelingt, in der Landwirtschaft tragfähige Zukunftsaussichten zu eröffnen, spricht Angela Belliard, Mitglied des Vorstandes und Sprecherin des Frauenkomitees bei BANELINO, aus: „Als erstes gehen die jungen Leute und die Frauen. Eine Zukunft gibt es nur, wenn beide hierbleiben.“ Nachhaltige Entwicklung in den Kooperativen ist untrennbar mit Fragen der Gerechtigkeit und vollen Teilhabe für junge Menschen und Frauen* verbunden, die häufig keine Zukunft für sich in der Landwirtschaft sehen.

Ein erster Schritt ist die Anerkennung, dass strukturelle Ungerechtigkeit und Machthierarchien beide Gruppen ungleich stärker betreffen. Die Kooperative setzt auf Sensibilisierungs- und Antidiskriminierungsarbeit – Frauen* werden in Empowerment-Programmen gestärkt, Männer durch Schulungen zu positiver Maskulinität in Transformationsprozesse eingebunden. Institutionell verankert sind Gruppen als Begegnungsräume und Komitees als politische Gremien. Beide öffnen „Safer Spaces“ und die Möglichkeit, bewährte Praktiken und unternehmerische Ideen auszutauschen. Angela Belliard teilt mit mir ihre persönliche Erfahrungen und es wird deutlich, wie wichtig für einen respektvollen, gleichgestellten Umgang Mechanismen sind, die Frauen* als (land-)wirtschaftliche Akteurinnen* und Entscheidungsträgerinnnen* sichtbar machen. Absolventinnen* der „Fairtrade Women’s School of Leadership“, ein Programm, das Verhandlungskompetenzen und betriebswirtschaftliche Kenntnisse vermittelt, übernehmen zunehmend Verantwortung in der Führungs- und Gremienarbeit. An Jugendliche und junge Erwachsene richten sich altersspezifische Aus- und Weiterbildungsprogramme, die Möglichkeit eine Ausbildungs- und Studienförderung zu erhalten und Zugang zu digitalen Innovationen und Technologien. Die Möglichkeit, früh in Betrieb und Kooperative Verantwortung zu übernehmen, sei ein wichtiger Hebel für die Landwirtschaft zu motivieren. Und Domingo López Quezada, zweiter Geschäftsführer von BANELINO, ergänzt ein Argument, dass auch hartnäckige Kritiker*innen dieser Initiativen verstummen lässt: „Frauen* bringen dann oft auch noch bessere wirtschaftliche Ergebnisse“.

Überregionale Strategien – wie jene des Produzent*innennetzwerks CLAC – geben den Rahmen für eine inklusive Zukunft, die Geschlechter- und Generationengerechtigkeit in lokale Praxis und Organisationskulturen übersetzt.

„Somos todes familia.“

Viele der Herausforderungen für kleinbäuerliche Produzent*innen und ihre Kooperativen, die zwischen den Bananenfeldern im Nordosten des Landes an der Grenze zu Haiti und der Kakaoverarbeitung nahe der Hauptstadt Santo Domingo erfahrbar werden, sind aus Berichten und Feldforschung hinlänglich bekannt. Vor Ort Lösungsansätze und das Engagement in den Gemeinschaften zu erleben, ist dennoch umso eindrucksvoller und verleiht diesen neue Tiefe und Dringlichkeit. Kooperativen sind dabei weit mehr als wirtschaftliche Zusammenschlüsse. Sie sind Träger eines strukturellen Wandels, der auf Solidarität, gemeinschaftlicher Verantwortung und dem Schutz natürlicher Lebensgrundalgen beruht. Ihr Ziel reicht über rein betriebswirtschaftliche Effizienz hinaus. Sie streben nach einer Nutzenmaximierung im Dienste des Gemeinwohls sowie einer selbstbestimmten, würdevollen Lebensweise für ihre Mitglieder. Sie ermöglichen nicht nur die Stärkung individueller und kollektiver Handlungsmacht, sondern fördern auch eine Kultur der gegenseitigen Verantwortung und des Wissensaustauschs. Praktisch besonders deutlich wird dies im Zugang zu Trainingsangeboten, technischer Beratung, Finanzierung und Produktionsmitteln sowie der Vereinheitlichung von Produktionsprozessen. So entstehen resiliente Strukturen, die nicht nur ökonomische Stabilität schaffen, sondern auch soziale Kohärenz fördern.

Eine Formel, die uns authentisch immer wieder begegnet: „Somos todes familia“ – wir sind alle Familie. Aus diesem Satz spricht nicht nur ein Gefühl der Zugehörigkeit, sondern eine konkrete soziale Praxis. Eine großzügige Solidarität, die für die direkten Nachbar*innen in der Gegenwart, für nachkommende Generationen ebenso gilt, wie für illegalisierte Arbeitsmigrant*innen aus dem benachbarten Haiti.

In Regionen, in denen staatliche Strukturen oft schwach sind und öffentliche Leistungen kaum zugänglich, übernehmen Kooperativen Aufgaben, die weit über ihr wirtschaftliches Handlungsfeld hinaus gehen. Zentrales Motiv ist die Sicherung eines existenzsichernden Einkommens heute und morgen und die Schaffung bzw. der Erhalt von Produktionsmitteln, die dafür erforderlich sind. Darüber hinaus sind sie Träger sozialer Infrastrukturen und schaffen so selbst die grundlegende Voraussetzung für demokratische Teilhabe und Selbstorganisation. Kleinbäuerliche Kooperativen verkörpern damit ein alternatives Entwicklungsparadigma: eines, das nicht auf die Externalisierung von Verantwortung setzt, sondern auf Partizipation, Eigenständigkeit und sozialer Gerechtigkeit.

Wer in dieser Gemeinschaft wirkt, gestaltet aktiv an einer Welt mit, in der Produzent*innen nicht mehr am Rand, sondern im Mittelpunkt globaler Lieferketten stehen. Wer Bananen schätzt, wer Schokolade genießt, kann sich der Verantwortung für die Menschen hinter diesen Produkten nicht entziehen. Und alle, die diese Produkte produzieren oder konsumieren, übernehmen – idealerweise – Mitverantwortung für diese Vision.

Christina Arkenberg, Vorsitzende des Aufsichtsrates von Fairtrade Deutschland

Mein herzlicher Dank geht an die Mitreisenden Andrea Seitz (Serviceteam Geldanlage, oikocredit), Andreas Paul (Geistliche Leitung, Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands) Ansgar Pieroth (Referent für Entwicklungspolitik, Nachhaltigkeit und Internationale Gerechtigkeit, Bund der Deutschen Katholischen Jugend), Kenza Podieh (Referentin für Nachhaltige Beschaffung, FEMNET e.V.), Kristina Stier (Referentin für Rohstoffpolitik und Fairen Handel, Brot für die Welt) sowie Claudia Brück (Vorständin), Katja Carson (Vorständin) und Michaela Reithinger (Referentin Mitgliederkooperationen) von Fairtrade Deutschland.

Darboven-Schattenbaum-Projekt

Darboven-Schattenbaum-Projekt

Wusstest du, dass Kaffee eine ganz schön sensible Pflanze ist? Zu viel Hitze mag sie ebenso wenig, wie zu viel Sonne. Das bedeutet aber auch, dass die Klimakrise die Kaffeepflanze ganz schön unter Druck setzt – und damit gleichzeitig die Bäuerinnen und Bauern, die Kaffee anbauen und letzten Endes natürlich auch uns, die wir hier gerade diese Zeilen lesen und das womöglich mit einer Tasse Kaffee in der Hand.

Deshalb kam Café Intención mit einer Projektidee auf uns zu, um gemeinsam mit unserem Fairtrade-Netzwerk in Lateinamerika ein nachhaltiges Vorhaben umzusetzen. Die Existenz der Kaffeebäuerinnen und -bauern zu sichern, indem der Kaffeeanbau an den Klimawandel angepasst wird mithilfe von neu gepflanzten Schattenbäumen. Durch Schattenbäume sind die Kaffeepflanzen besser vor der direkten Sonneneinstrahlung geschützt. Das Mikroklima wird verbessert und Hitze ist im Schatten deutlich besser erträglich. Und auch für die Bodenqualität haben die Schattenbäume einen Mehrwert, so wird zum Beispiel Erosion besser verhindert.

Eine Kaffeepackung = ein Schattenbaum

Der Mechanismus ist ganz einfach. Für jede gekaufte Packung der Fairtrade-Kaffees Café Intención Selección Peru, Café Intención Selección Honduras (je 1.000g Ganze Bohne) sowie Café Intención Bio Gustoso in der Gastronomie wird ein Schattenbaum gepflanzt. Die Arabica-Bohnen für diese Kaffees kommen von den teilnehmenden Kooperativen. So wird der Kaffeeanbau mit jeder Packung widerstandsfähiger gegen die Klimakrise. Eine Mindestanzahl von 300.000 Bäumen pro Jahr ist geplant. Nach oben ist diese Anzahl offen: wenn die Absatzzahlen steigen oder zusätzliche Geldgeber gefunden werden, werden noch mehr Bäume gepflanzt.

Starke Partner für den Kaffee der Zukunft

Das Projekt ist für den Zeitraum 2024-2029 angesetzt. Sieben Kooperativen nehmen am Projekt teilnehmen, darunter vier in Peru und drei in Honduras.

Neben Café Intención und Fairtrade Deutschland spielt vor allem das Lateinamerikanische Fairtrade-Netzwerk CLAC eine wichtige Rolle bei der Koordination vor Ort und dabei, die Kooperativen bei der Umsetzung zu unterstützen.

Fast 3.700 Menschen sollen vom Schattenbaum-Projekt profitieren, davon ein Viertel Frauen. Bereits in den ersten Monaten seit Projektbeginn ist viel passiert: Zwischen Juni und Dezember 2024 wurden fast 87.000 Setzlinge gepflanzt.

Schluck für Schluck zu mehr Fairness – schon zum Frühstück!

Kaffee ist das Lieblingsgetränk in Deutschland. Wir trinken mehr von dem Wachmacher als Mineralwasser oder Bier. Kaffee ist ein Grund zum Aufstehen, bei einer Tasse Kaffee kommt man ins Gespräch, Kaffee verschönert uns Pausen im Alltag. Dass Kaffee alles andere als Alltag ist, sondern Pflege, Sorgfalt und Aufwand benötigt, das macht das Projekt mit Café Intención mehr als deutlich. Gemeinsam Schluck für Schluck, Schattenbaum für Schattenbaum arbeiten wir daran, dass er uns auch in Zukunft als Lieblingsgetränk unsere Tassen füllt. Mach Fairtrade-Kaffee zu einem Teil deiner Morgen-Routine! Unsere Kampagne Fairtrade Frühstück gibt einen ganz aktuellen Anlass dafür. Und weitere Produkte können folgen, denn die Palette der fairen Frühstücks-Produkte ist bunt, vielfältig und lecker.

Who made my merch? Vijayalakshmi Muthu prüft Textilien in Tiruppur

Who made my merch? Vijayalakshmi Muthu prüft Textilien in Tiruppur

Die Industriestadt Tiruppur liegt im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Die Metropole hat rund 647.000 Einwohner*innen, rechnet man das Einzugsgebiet mit ein, sind es über 1,4 Mio. Menschen.

Die meisten arbeiten in der Textilindustrie. Eine davon ist Vijayalakshmi Muthu. Die 35-Jährige erfuhr vor rund zehn Jahren über einen Aushang in ihrer Nachbarschaft, dass das Textilunternehmen Sags Apparel in ihrer Gegend eine neue Fabrik eröffnet hatte und dort noch Beschäftigte suchte. Sie bewarb sich und bekam den Job. Sags Apparel beschäftigt rund 300 Menschen in der Region von Tiruppur, die in der Produktion von Strumpfwaren, Strickwaren, Freizeitkleidung und Sportbekleidung führend ist.

Rekordumsätze, Dumpinglöhne

Fast 90 Prozent der indischen Exporte von Baumwollstoffen stammen von hier, ihr Gesamtwert beträgt schätzungsweise 1 Milliarde US-Dollar.  Von diesen Rekordumsätzen profitieren die Menschen vor Ort jedoch leider nicht – sie arbeiten für Tageslöhne, die im Schnitt gerade einmal 34 Prozent eines sogenannten existenzsichernden Lohnes ausmachen. Hinzu kommt: Kleidung zählt zu den Importprodukten mit dem größten Risiko für Menschenrechtsverletzungen.

Wie schlimm die Situation in der Textilindustrie ist, wurde am 14.04.2013 besonders deutlich: Die Textilfabrik Rana Plaza in Sabhar, Bangladesch, stürzte ein und riss 1.135 Menschen in den Tod. Trotzdem arbeiten immer noch etwa 60 Millionen Menschen weltweit in der Textilindustrie, der Großteil davon Frauen.

Hohe Standards – für Mensch, Produkt und Produktion

Vijayalakshmi Muthu arbeitet seit rund zehn Jahren bei Sags Apparel für Brands Fashion – ein Aushang in ihrem Viertel
veränderte ihr Leben nachhaltig zum Positiven. Fotos: Martin Hennrichs

Frauen wie Vijayalakshmi Muthu.  Und doch ist für sie vieles anders. Für sie ist ihre Stelle bei Sags Apparel jedoch ein Glücksgriff: „Die Arbeit macht mir Spaß. Welche Aufgabe auch immer mir zugewiesen wird, ich mache sie, weil ich gerne hier arbeite!“ Aktuell ist Vijayalakshmi Muthu in der Qualitätssicherung tätig – das ist der Bereich, in dem geprüft wird, ob die gefertigten Produkte die Sicherheitsbestimmungen des jeweiligen Landes erfüllen, in das sie exportiert werden.

Prüfen Produkte auf ihre Qualität: Textilarbeiterinnen in der Green Factory von Sags Apparel. Fotos: Fairtrade Deutschland

Die hohen Sicherheitsbedingungen gelten nicht nur für die Produkte, denn mit der Fairtrade-Zertifizierung hat sich Sags Apparel dazu verpflichtet, die strengen Standards bezüglich Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz umzusetzen, davon profitieren die Beschäftigen. „Den Unterschied zu anderen Unternehmen in der Gegend spüre ich deutlich, besonders wenn es um Komfort und Freiheit geht. Besonders zu schätzen weiß ich, dass wir hier eine Krankenschwester haben, an die wir uns mit kleineren medizinischen Problemen wenden können. Außerdem gibt es einen Ruhebereich nur für Frauen, in den wir uns zurückziehen können“, berichtet Vijayalakshmi Muthu. „Außerdem gibt es hier eine Kantine und einen Betriebskindergarten. Das hat meine Erwartungen übertroffen.“

Strenge Sicherheitsstandards auch in der Produktion: Infotafeln klären über die Bestimmungen auf.

Die Fabrik, in der Vijayalakshmi Muthu arbeitet, ist ein echtes Leuchtturmprojekt und leistet Pionierarbeit: Bereits vor rund fünf Jahren hat Sags Apparels gemeinsam mit dem deutschen Textilunternehmen Brands Fashion hier die erste sogenannte Green Factory nach strengen Nachhaltigkeitsstandards in einer bereits bestehenden Fabrik umgesetzt.  2024 wurde die Green Factory 2.0 neu erbaut und in Betrieb genommen, um nun noch höhere Standards zu erfüllen.

Die Textilien, die hier für Brands Fashion produziert werden, tragen entweder das Fairtrade-Baumwoll-Siegel oder sind zusätzlich auch nach dem Fairtrade-Textil-Standard zertifiziert – dem strengsten Standard am Markt. 2016 eingeführt, schreibt dieser unter anderem vor, dass alle Arbeiter*innen entlang der Lieferkette innerhalb von sechs Jahren existenzsichernde Löhne erhalten.

Davon profitiert auch Vijayalakshmi Muthu: „Ich bekomme hier ein Gehalt, das Erwartungen entspricht und meine Bedürfnissen erfüllt. Und vor allem: Unser Gehalt wird jeden Monat pünktlich ausgezahlt.“

Eine Perspektive, nicht nur für die eigene Familie

Mit dieser finanziellen Sicherheit im Rücken möchte sie vor allem ihre Kinder stärken: „Meine Kinder sollen studieren und bessere Jobs und Positionen bekommen. Sie hierbei zu unterstützen ist mein Ziel.“ Aber auch für ihren Mann und sich selber hat sie Zukunftswünsche: „Mein Mann und ich möchten ein gesundes Leben ohne Krankheiten führen. Wir wollen auch ein größeres und besseres Haus bauen.“

Außerdem möchten sie Menschen in Not helfen. „Ich habe meinen Kindern gesagt, dass sie, sobald sie eine gute Position erreicht haben, die Armen unterstützen sollen, die um ihre Grundbedürfnisse kämpfen. Das ist mein Traum, und ich werde auf jede erdenkliche Weise an dessen Erfüllung arbeiten.“

Mehr als nur „fair“: Die Textilien, die hier produziert werden, entsprechen dem strengen Fairtrade-Textilstandard.